Libertäre Tage 2023 – Bericht & Protokoll

Wie angekündigt haben wir auf den libertären Tagen in Dresden unseren Workshop Anarchistische Organisierung am Arbeitsplatz noch einmal gemacht. Wir haben uns sehr gefreut, mit Genoss*innen der FAU, dem anarchistischen Netzwerks Dresden, der Schwarzen Rose und einige mehr über die konkreteren Perspektiven der Vorschläge aus St. Imier reden zu können. Dabei konnten wir einige Langzeitziele gleich voraussetzen und uns umso mehr auf das Handeln in unserem Umfeld und in absehbarer Zeit fokussieren. Natürlich sind wir schnell auf den Punkt gekommen, dass es keine einheitliche Lösung gibt, wie mensch sich am Arbeitsplatz anarchistisch organisiert. Die jeweiligen Möglichkeiten hängen von Betrieb, Branche und Mitarbeiter*innen ab und müssen für sich genommen beurteilt werden. Das vorausgesetzt war es eine Runde mit sehr vielen guten Ideen, von der wir euch gleich einige vorstellen – wer allerdings tiefer eintauchen möchte, findet das Protokoll der Veranstaltung unten verlinkt.

Vernetzung und strategische Absprachen – Eine Sache, die für viele der organisierten Gruppen zentral war, ist eine verbesserte Absprache und strategische Aufteilung von Arbeit zwischen Gruppen – sowohl bundesweit und international. Mit Internationaler Unterstützung sind einige Probleme leicht zu lösen, die National gedacht Schwierigkeiten machen: z.B. das Auffüllen von Streikkassen in Süd-Ost-Asien mit deutschen Gehältern. Aber ebenfalls brauchen wir diese Verbindungen um eine Gleichzeitigkeit von Bewegungen herzustellen, und im Kampfe nicht alleine dazustehen. Auf bundesweiter Ebene gab’s Gedanken in Richtung eines Kongresses und verbindliche(re) Absprachen für die nächsten Jahre.

Arbeiter*innenzentren. – Die Taktik aus St. Imier, die sicher am ergiebigsten diskutiert wurde, war die die Arbeiter*innenzentren. Diese stellen einen gemeinsamen Anlaufpunkt da, wo sich (informell) über Widrigkeiten der Arbeit und Potentiale des Widerstands ausgetauscht werden kann – eine Voraussetzung dafür, die oft allzu unterschiedliche Perspektiven innerhalb einer Belegschaft oder Branchengruppe überwinden zu können. Schnell wurde klar, dass es konkrete Angebote braucht damit ein Arbeiter*innenzentrum auch besucht wird. So könnten dort Beratungen, Jobbörsen und Kinderbetreuung angeboten werden. Von dort war der Weg nicht weit zu einer Verbindung mit der neuen Bewegung der solidarischen Gesundheitszentren (https://www.poliklinik-syndikat.org/). Das dortige Credo, ärztliche Versorgung, Beratung und Nachbarschaftsarbeit unter einem Dach zusammen zu bringen, kann leicht auf Arbeiter*innenzentren übertragen und gar damit verknüpft werden. Der Ruf nach einem Gewerkschaftshaus, wo diese Angebote Platz finden, ließ nicht lange auf sich warten.

Langfristige Strukturen und Absicherung im Alter. – Ein dritter spannender Punkt war die Schaffung von langfristigen Strukturen, die in der Lage sind, uns abzusichern und das auch im Alter. Diese Strukturen – wenn sie verlässlich und belastbar sind – wirken auch die Gefahr der Selbstausbeutung entgegen (die ja bei der Anzahl an guten Ideen die es üblicherweise gibt, immer am Horizont droht). Ebenfalls bieten langfristige Strukturen die Möglichkeit von Wissensweitergabe und wirken Ausgrenzung entgegen.

Hier hinzu kommt das verbinden von Kämpfen, welches uns nicht nur Rückhalt bietet sondern auch gegen die Isolation der Individuen vorgeht. Wer eine starke Nachbarschaft hat und nicht alleine für sein Überleben kämpft, ist auch gleich gestärkter am eigenen Arbeitsplatz für die eigenen Rechte aufzustehen.

Bei der Abschlussrunde haben wir unsere Ideen und Vorhaben für die nächste Zeit geteilt – und es war sehr schön zu sehen, wie viel dann doch in der Pipeline ist, auf das wir uns freuen können!

Bis bald liebe Genoss*innen!

Das Protokoll findet ihr unten.

Kontaktiert uns gerne bei Interesse und weitere Ideen!

 

Protokoll Workshop ‚Anarchistische Organisierung am Arbeitsplatz‘ auf den LiTa 2023

Nach einer Vorstellungsrunde wurde die Organisation PS vorgestellt und von den Erfahrungen aus St.-Imier berichtet, wo der Workshop bereits einmal gehalten wurde.

Wir einigten uns im Groben auf folgende langfristige Ziele:

  • Demokratische Wirtschaftsplanung
  • Eigentum der Produktionsmittel in Händen der Produzierenden / der Gesellschaft
  • Basis-Demokratie am Arbeitsplatz
  • internationale Vernetzung und Gleichzeitigkeit von Bewegungen

Der interaktive Teil des Workshops drehte sich um die Frage: Wie können wir am Arbeitsplatz Gegenmacht zum Kapitalistischen system aufgebauen?

Wir haben uns in Kleingruppen aufgeteilt, wo folgende Fragen besprochen wurden:

1) Ausgehend von unseren Langzeitzielen, was müssen wir mittelfristig aufbauen, um die zu erreichen

  • Organisation, Vernetzung, gemeinsame Ziele
    • Bundesweite/ internationale Vernetzung
    • (internationale) Vernetzung Betriebsrat, Gewerkschaft und außerhalb: andere Politgruppen, Vereine
    • Arbeitsteilung (nach Zielgruppen und Aufgaben) und Zusammenarbeit
      • regelmäßige Kongesse die verschiedene Teile der Bewegung zusammenbringen.
      • Idee: A-Kongress mit konkreter Strategieentwicklung
  • Politische Identität zum Job tragen
  • Personenkreis, den wir erreichen erweitern
    • Community building
    • Öffentlichkeitsarbeit nicht unterschätzen
    • Sichtbarkeit schaffen für existierende gewerkschaftliche Arbeit. -> Das Lokal!
  • Strukturen, die Grundbedürfnisse abdecken aufbauen.
    • Dezentralisierung bestimmter Wirtschaftszweige, die schwer basisdemokratisch zu sozialisieren sind.
    • Entwicklung bestimmter Techniken, die Dezentralisierung vereinfachen.
    • Struktur für Sicherheit im Alter -> mehr Umverteilung
    • Langfristigkeit möglich machen -> Strukturen aufbauen die Vorteile bringen. Sonst keine Langfristigkeit
  • radikale Gewerkschaften aufbauen, die dann von selbst die großen Gewerkschaften radikalisieren. (z.B. ‚unrentable‘ Mitgliedsgruppen organisieren).
  • Strukturen am Arbeitsplatz analysieren und erklären
  • Gleichtzeitig Angebote der existierenden Selbstorganisierung -> Parallelstrukturen
  • Intersektionale Räume + Infomaterial
  • effiziente, effektive, sichere Kommunikationswege

2) Können die oben genannte Taktiken derzeit in Deutschland angewandt werden? Warum Ja/Nein? (Könnte eure Organisation die mit tragen?) – Welche andere Taktiken könnt ihr euch für Deutschland bzw. eurer Organisation vorstellen.

  • Wilde Streiks (z.B. nach Petitionen)
    • eigentlich nur sinnvoll, wenn der Arbeitgeber selbst sich nicht an Recht hält.
    • wilder streik ist risikoreich, braucht gute Vorbereitung
  • Es muss ein geteiltes Problembewusstsein geschaffen werden, bevor gemeinsame Forderungen gestellt werden können.
  • Keine geteilte Problemwarnehmung + soziale Ausgrenzung am Arbeitsplatz erschweren soziale Beziehungen
    • -> Austausch außerhalb eigenen Betriebs, allg Branchenarbeit -> wie trotz Differenz connecten?
  • Soziale Beziehungen klein anfangen.
  • Soziale Beziehungen teilweise schwierig (bei z.B. kurzfristiger Beschäftigung)
    • -> Vernetzung außerhalb des Arbeitsplatzes
  • Arbeiter*innenzentren
    • Arbeiter*innenzentren aktraktiv machen gegenüber kapitalistischer Freizeitbeschäfftigung
    • Müssen einen Vorteil bringen (Gesundheit, Beratung, Umverteilung, KInderbetreuung etc..)
      • Sprechstunde für Rechtsberatung für Arbeitskämpfe
    • Jobbörse! (Austausch über Jobmöglichkeiten).
    • Orte schaffen, wo Leute sich gemeinsam aufregen können.
      • Mehr bewusstsein für Rechte u. Optionen schaffen
      • Risiko verkleinern durch sozial+ finanzielle Ressourcen
    • Arbeiter*innenzentren ggf. über Betriebe hinaus.
      • Sich mit progressiven Teilen der Branche zusammentun.
      • Überblick über Engstellen und Bedarfe in Branche –> Arbeiter*innenmacht.
    • Das Ziel ist Beziehungen aufzubauen.
    • Verhältnisse in Branchen und am Arbeitsmarkt analysieren. So dass Arbeitende mehr druck ausüben können.
    • Beispiele für Arbeiter*innenzentren: ist Teil einer anarchosyndikalisten Gewerkschaft.
      • Arbeiter*innenzentren gibts irgendwie in d. Gewerkschaft, aber nicht unter einem Dach (organisatorisch)
      • Unterschied wäre noch: ‚Unter einem Dach‘. Aber aufgrund Immobiliensituation schwierig. Jedoch sehr wichtig. Als MIttelziel.
      • Gewerkschaftslokal
      • Zusammenarbeit mit Gesundheitszentren. (https://www.poliklinik-syndikat.org/)

3) Mit welchen sonstigen Taktiken habt ihr Erfahrung? Wann und wo wurden die ausprobiert und wie haben die funktioniert?

  • Betriebsgruppen u. Kollektivbetriebe aufbauen -> geht nicht immer und braucht Zeit. Auch Vorsicht geboten. Ist langfristige Arbeit und sollte nur langfristig gemacht werden. Sonst kann auch viel Schaden hinterlassen. (Abschreckend wenn Leute gekündigt werden etc.)
  • Solidarische Ökonomien aufbauen
    • -> Gruppen v. Einzelpersonen
    • -> gewerkschaftlich inkl. Streikkassen, finanzielle Absicherungen (FAU)
    • -> Strukturen gegenseitiger Hilfe aufbauen: Mieter*innengewerkschaft, Genossenschaft, Hausprojekte… – Sollte an Kämpfe angebunden sein, kann schnell Bubble werden oder „veraltet“
    • Hausprojekte und Kollektivbetriebe könen sehr viel, wenn sie gut angebunden sind. Wenn nicht, sind sie voll die Bubble.
  • Kleine Solidaritätsanker; sich verbünden mit (den wenigen) Leuten, die die selben Werte teilen, z.b FFP2 – Masken schenken,… Beziehungsaufbau u. Pflege
  • Kolleg*nnen unterstützen -> offenes Ohr
  • Erwerbslose Selbsorganisation
  • Betriebsübrgreifende Gruppen in Branchen
  • Internationle Gruppen, Soliaktionen bzw finanzielle Unterstützung
    • Durch Lohngefälle Lücken in Streikkassen leicht auffüllen.
  • Infrastruktur für Austausch von Ressourcen (z.B. https://iniradar.org/)
  • Formen von Sabotage am Arbeitsplatz, langsam Arbeit, Klau von Arbeitsplatz, Bürokratische Sabotage
    • Vermittlung. Und ggf. gegenläufig zur mittelfristigen Übernahme von Betrieben.
    • Abwägen, was gerade Ziele sind, muss richtig vermittelt werden.
    • Als Aktivist*in erstmal schauen, was die schon etabierte Sabotagekultur ist.
  • Wissenschaft und Weiterbildung
    • Studien auswerten als Bewegung
    • Eigene Studien/ Umfragen durchführen (Beispiel Spanien)
    • Weiterbildung in Bewegung stärken.