Über gesellschaftliche Annäherung und Abgrenzung

Am 5. 6. 2021 haben wir uns mit einem Büchertisch und einem Redebeitrag an der anarchistischen Kundgebung zum 100. Jahrestag des Kronstadt-Aufstandes am Mariannenplatz beteiligt.

Gegen Abend teilte eine Person aus dem Orga-Kreis über das Mikrophon mit, dass sie einen Menschen, der für die Deutsche Wohnen Enteignen-Kampagne (DWE) Unterschriften gesammelt hatten, von der Kundgebung geschmissen haben. Die Person begründete das mit einer politischen Kritik an der DWE-Kampagne, welcher sie in etwa ‚Reformismus‘ und ‚Staatsgläubigkeit‘ vorwarf (der genaue Wortlaut ist uns nicht mehr bekannt).

Wir von PS distanzieren uns von dieser Aktion. Obwohl einige von uns bestimmte Aspekte der Kritik teilen, betrachten wir die Aktivist*innen von DWE als Genoss*innen, in deren Praxis wir unser Ziel einer selbstverwalteten, solidarischen Gesellschaft wiedererkennen können. Wir finden es krass schade, dass politische Differenzen unter linken Gruppen (die uns hoffentlich auf jedem Schritt in Richtung sozialer Revolution begleiten werden) nicht anders gelöst werden können, als durch Rausschmiss. Und wir hoffen, dass diese Erfahrung die Person nicht entmutigt, weiterzukämpfen.

Als Reaktion auf das Geschehen haben wir unseren Büchertisch abgebaut und so aufgehört, als organisierte Gruppe an der Kundgebung teilzunehmen. Leider haben wir unseren Widerspruch über das Vorgehen nicht über das Mikro mitgeteilt, sodass der Rausschmiss für andere Kundgebungsteilnehmer*innen unwidersprochen blieb. Das wollen wir mit unserem Posting hier so gut wie möglich nachholen.

Ein wiederkehrendes Thema der Redebeiträge und Diskussionen auf der Kundgebung war die Frage, wie wir es als anarchistische Szene in Berlin und anderswo schaffen, gesellschaftliche Relevanz zu gewinnen und zu wachsen. Dabei beschäftigt uns besonders, wie wir es schaffen, solidarische Beziehungen mit dem Rest der Gesellschaft aufzubauen und in eine konstruktive Auseinandersetzung zu treten. In solchen Beziehungen fängt eine Veränderung an, können wir es schaffen, den Horizont des denk- und machbaren gemeinsam zu erweitern.

Das Vorgehen (zumindest von der Person) der Kundgebungs-Orga steht für uns sinnbildlich für viele Probleme, die uns bei diesem Versuch im Weg stehen. Wenn wir es nicht einmal schaffen, uns mit anderen linksradikalen Gruppen und Inis zu verständigen: welche Aussicht besteht dann darauf, unsere Nachbar*innen, Kolleg*innen, Familien von der befreiten Gesellschaft zu überzeugen?

Der Kronstadt-Aufstand von 1921 wurde von einem breiten Bündnis aus Anarchist*innen, Kommunist*innen, Sozialrevolutionär*innen, Arbeiter*innen und Bäuer*innen getragen. Seine politischen Perspektiven und Ziele waren so divers wie seine Zusammensetzung. In dem koordinierten und entschlossenen Vorgehen der Aufständischen sehen wir ein Beispiel dafür, wie trotz dieser Unterschiede eine gemeinsame revolutionäre Praxis entstehen kann. Die Kronstädter Matros*innen und Revolutionäre lehren uns Konfliktfähigkeit, Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Ideale und die unserer Genoss*innen.

Für die soziale Revolution!

Perspektive Selbstverwaltung