Wie jedes Jahr erheben wir am 8. März unsere Stimmen in entschlossener Solidarität mit Frauen, Lesben, inter, nichtbinären, trans und agender Menschen (FLINTA*s) weltweit.
Wir setzen uns zur Wehr gegen patriarchale Herrschaftsstrukturen in der festen Überzeugung, dass gesellschaftliche Veränderung nur durch aktiven Widerstand möglich ist.
In der aktuellen globalen politischen Lage sind FLINTA*s mit unterschiedlichen Facetten patriarchaler Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt konfrontiert: Weiterhin existiert die ökonomische Ausbeutung durch die Doppelbelastung von Lohnarbeit und Sorgearbeit. FLINTA*s übernehmen dabei nicht nur einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit, sondern werden im Bereich der Lohnarbeit im Durchschnitt deutlich geringer bezahlt. Daraus folgt eine erhöhte Arbeitsbelastung im Alltag, ein erhöhtes Armutsrisiko insbesondere im Alter und Abhängigkeiten vom meist männlichen Partner.
Zur ökonomischen Ausbeutung hinzu kommt geschlechtsspezifische Gewalt, die sich in kulturellen und religiösen Traditionen, in Familien und Partnerschaften, in Schulen und Universitäten, am Arbeitsplatz und auf der Straße manifestiert. Die Spitze dieser Gewalt stellt die ungebrochen hohe Zahl an Feminiziden und queerfeindlichen Morden dar.
Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann seine Partnerin oder Expartnerin zu ermorden. Diese versuchten und erfolgten Morde passieren nicht zufällig. Es sind keine Einzelfälle und auch keine privaten Beziehungsdramen, sondern Morde an Frauen, weil sie Frauen sind. Sie passieren mitten unter uns – in der Nachbarschaft, hinter den Türen, draußen auf der Straße. Sie kommen in allen sozialen Schichten vor.
In den unzähligen Kriegen, die weltweit auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse geführt werden, verstärken sich reaktionäre gesellschaftliche Tendenzen. Nationalismus nimmt an Fahrt auf, die binären geschlechtlichen Rollenzuschreibungen werden verfestigt. Gleichzeitig erleben FLINTA*s eine besondere Gefährdung durch geschlechtsspezifische Gewalt. So wird sexualisierte Gewalt oft systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. Diese Gewalt wird in Friedensprozessen häufig nicht ausreichend aufgearbeitet und die Täter erfahren keine Konsequenzen. Die Situation von FLINTA*s verschlechtert sich im Krieg zusätzlich durch eine erschwerte Versorgungssituation. So haben FLINTA*s in Konfliktsituationen weniger Zugang zu medizinischer Versorgung und ihr Zugang zu Bildung verschlechtert sich weiter.
Die letzten Jahre sind insbesondere geprägt von einem rasanten Anstieg der Queerfeindlichkeit. In den Medien wird gegen queere Menschen Stimmung gemacht, in vielen Ländern schränken immer neue Gesetze ihr Leben ein und von all dem angetrieben nimmt die queerfeindliche Gewalt auf der Straße und in Familien zu. Diese Entwicklung ist Teil eines breiteren patriarchalen Rollbacks, der von rechten Regierungen und Bewegungen sowie religiösen Institutionen vorangetrieben wird.
Queerfeindlichkeit und Antifeminismus sind gemeinsame Nenner, die verschiedene reaktionäre gesellschaftliche Kräfte vereinen.
Wir streben kompromisslos nach einer Welt ohne jede Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt gegen FLINTA*s. Doch um diese Perspektive zu erkämpfen, müssen wir die Probleme an der Wurzel packen. Das Patriarchat ist als Herrschaftsverhältnis eng mit anderen Herrschaftsverhältnissen verknüpft. Der Kapitalismus ist auf binäre Geschlechterzuschreibungen angewiesen, weil sie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und eine Abwertung reproduktiver Arbeiten erst ermöglichen. Der Staat wirkt im Interesse des nationalen Kapitals regulierend auf die Bevölkerungsentwicklung ein, erlässt daher Gesetze zur Kontrolle der Körper von FLINTA*s und setzt die heterosexuelle Zweierbeziehung als Norm durch. Wie patriarchale bezieht sich auch rassistische Ideologie auf biologistische Zuschreibungen. Rassismus und Sexismus spalten und schwächen fortschrittliche Kämpfe und die gesamte Arbeiter*innenklasse. Sie werden bewusst von den Herrschenden eingesetzt, um die Arbeiter*innen gegeneinander auszuspielen und den Kapitalismus zu stützen. Der Kampf gegen das Patriarchat genauso wie der gesamte Kampf für die Befreiung der Arbeiter*innenklasse, kann nur erfolgreich sein, wenn er sich gleichsam gegen all diese Herrschaftsverhältnisse richtet und darauf abzielt, sie mit einer sozialen Revolution zu überwinden.
Trotz der Brutalität des Patriarchats auf allen Ebenen, erleben wir weltweit feministische Kämpfe, die inspirierende Ansatzpunkte für die Entwicklung einer solchen Bewegung bieten. In Argentinien kämpfen Feminist*innen gegen die ultraliberale Milei-Regierung und setzen den Weg der „Ni Una Menos“-Bewegung gegen Feminizide fort. In Folge der Frauenrevolution in Kurdistan entsteht eine auf feministischen Grundsätzen basierende Selbstverwaltung. Auch in Iran, Afghanistan und der Türkei stellen sich Feminist*innen den patriarchalen Regimen entgegen. Gegen transfeindliche Gesetze und eine Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung bildet sich Widerstand in den USA. In Europa finden in Spanien und der Schweiz feministische Streiks mit breiter Beteiligung statt. FLINTA*s kämpfen nicht nur in explizit feministischen Bewegungen, sondern auch in Gewerkschaften, Bildungs- und Stadtteilorganisationen. Diese Vielfalt des Widerstands zeigt, dass der feministische Kampf schon jetzt untrennbar mit anderen sozialen Bewegungen und dem Kampf der gesamten Arbeiter*innenklasse für ihre Befreiung verbunden ist.
Unsere Perspektive für die feministische Bewegung liegt in der Stärkung des Widerstands auf globaler Ebene. Der Kampf gegen Patriarchat, Kapitalismus, Staat und Rassismus erfordert die aktive Teilnahme aller Geschlechter. Als Anarchist*innen setzen wir uns dafür ein, dass die feministische Bewegung nicht nur symbolische Kämpfe führt, wie es der liberale Feminismus vorschlägt. Unser Weg ist weder die Wahl „progressiver“ Kandidat*innen noch eine „feministische Außenpolitik“. Stattdessen wollen wir konkrete Verbesserungen am Arbeitsplatz, in der Bildung und in Stadtteilen erkämpfen: Beendigung der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit, Kollektivierung der Sorgearbeit, Abschaffung der staatlichen Kontrolle über Körper von FLINTA*s, Schutz vor patriarchalen Übergriffen, Bildung für alle, Aufbau finanziell und emotional belastbarer solidarischer Netzwerke, Organisierung eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens auf Augenhöhe.
Es ist an der Zeit, dass mehr FLINTA*s Teil des feministischen Widerstands werden. Cis Männer tragen ihrerseits die Verantwortung, ihren Beitrag zur Überwindung des Patriarchats zu leisten. Als Anarchist*innen kämpfen wir auf allen Ebenen für diese Perspektiven. Nicht nur am 8. März, sondern das ganze Jahr hindurch. Unsere Rebellion endet nicht, bis wir die Ketten des Patriarchats sprengen und Ausbeutung und Unterdrückung endlich fallen.
Heraus zum 8. März!
Es lebe der weltweite Widerstand gegen Patriarchat, Kapitalismus und Staat! Für die feministische Revolution!
☆ Perspektive Selbstverwaltung – Anarchistische Organisation im Aufbau aus Berlin