Am 9. April haben wir uns mit einem antiautoritären Block an der Bündnis-Demo gegen Krieg und Aufrüstung beteiligt. Dabei haben wir folgenden Redebeitrag gehalten:
[…] Heute sind wir gemeinsam gegen den Krieg in der Ukraine auf der Straße – aber auch gegen die Kriege überall in der Welt, wie in Äthiopien, dem Jemen, Afghanistan und Kurdistan. Jeden Tag werden Menschen ermordet, verwundet oder gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Die Massaker und die Situation der Menschen vor Ort gehen uns sehr nahe, machen uns betroffen und sehr wütend. Besonders, weil ihr Leid für die Festigung und Ausweitung der politischen und wirtschaftlichen Macht einiger Weniger in Kauf genommen wird.
Da es heute viele Redebeiträge von verschiedenen Gruppen zu den diversen Aspekten dieses Krieges gibt, möchten wir uns darauf beschränken, den Krieg in der Ukraine herrschaftskritisch einzuordnen und darüber zu sprechen, warum das kapitalistische Streben nach Macht und Herrschaft die Vorbedingung für Kriege, Ungerechtigkeit und Unterdrückung sind – warum wir also eine antipatriarchale, antikoloniale, antimilitaristische und staatsablehnende Selbstorganisation von unten brauchen, um in Frieden leben zu können.
Im Februar hat die russische Regierung einen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen. Im Osten des Landes tobt bereits seit 2014 ein Krieg zwischen einem pro-russischem Lager und mehrheitlich pro-westlichen, ukrainischen Kräften, die eine Annexion durch Russland verhindern wollen. Seit Beginn dieses Krieges unterstützt Russland die pro-russischen Kräfte dort. So verschafft sich die russische Regierung zunehmend Zugriff auf billige Rohstoffe, geopolitisch relevante Orte sowie Produktionsstätten und -mittel – also wichtige Ressourcen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Zudem möchten die russischen Machthabenden ihre politische Macht innerhalb der Ukraine ausweiten und festigen, denn die Regierung unter Selensky sucht seit mehreren Jahren verstärkt die Nähe zur NATO und der EU.
Die NATO hingegen ist seit 1990 darum bemüht, ihren Einfluss immer weiter nach Osten hin zu vergrößern und zahlreiche Truppen an den russischen Grenzen zu stationieren, um Russland abzuschrecken.
Interessen hat aber auch die EU, die mit der Ukraine schon längst Handelsabkommen geschlossen hat, um sich billige Arbeitskraft und Ressourcen – wie Getreide oder Teile für die Autoindustrie – zu sichern.
Was wir, und vor allem die Menschen in der Ukraine, hier und jetzt erleben, ist das Ringen verschiedener Herrschaftsstrukturen um Einfluss und Macht. Dieser Krieg ist ein direktes Resultat von patriarchalen und kolonialen Machtstrukturen und dem darauf begründeten kapitalistischen Wirtschaftssystem. Nur durch ebendiese Strukturen und die in ihnen gebündelte politische und wirtschaftliche Macht in den Händen Weniger, ist es möglich, dass Machtcliquen wie die um Putin, das tun, was sie tun.
Eine Welt, die durch das Recht der Stärkeren bestimmt; Eine Welt in der das Leben von dem Kampf der Einzelnen um Machtpositionen in unseren patriarchalen Gesellschaften geprägt ist, kann schlussendlich nur zu einer gesellschaftlichen Struktur führen, die einer Pyramide gleicht. An deren Spitze stehen diejenigen, die für den Krieg in der Ukraine verantwortlich sind. Denn der wird weder im Interesse der unterdrückten, ausgebeuteten und lohnabhängigen Menschen in Russland noch im Interesse der Menschen irgendwo sonst geführt und.
Hier in Deutschland führt er aktuell vor allem zu Zufriedenheit im militärisch-industriellen Komplex und zu klingelnden Kassen in der Rüstungsindustrie.
Unserem Verständnis nach sind darüber hinaus alle bestehenden Probleme der Gegenwart ein direktes Resultat dieser Herrschaftsstrukturen: Von der Klimakatastrophe über die Festung Europa bis zu anderen Grenzregimen; von der Ausbeutung der großen Mehrheit der Bevölkerung über sexualisierte Gewalt bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
Klar ist: Die Herrschenden interessieren sich nicht für unsere Bedürfnisse! Ihr Interesse liegt darin, ihre Macht und ihren Einfluss zu erhalten oder sogar zu erweitern – wenn nötig auch durch Kriege.
Um künftige Kriege unmöglich zu machen, müssen wir unsere Interessen selbst vertreten und aufhören zu hoffen, dass dies von Politiker*innen oder den Herrschenden erledigt wird. Wir können uns nur selbst befreien – denn nur indem wir uns gemeinsam organisieren, gegen Patriarchat, Kolonialismus und Kapitalismus vorgehen und Herrschaft als solche angreifen, wird sich unser Leben verbessern.
Wir als anarchistische Organisation rufen dazu auf: Organisiert euch, vernetzt euch und nehmt dadurch den herrschenden Strukturen von Staat und Kapital die Macht über eure Leben. Nur durch eine Selbstverwaltung von unten können alle Bedürfnisse gehört und gedeckt werden – nur so kann etwas neues aufgebaut werden.
Diese Ansätze tragen auch kurzfristig Blüten – wie die große Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Polen beweist, die zum allergrößten Teil eben nicht vom Staat, sondern von den Menschen vor Ort organisiert wird.
Wir wollen eine Welt schaffen, in der diese Solidarität Allen gilt – unabhängig von Herkunft, Fluchtgrund oder Geschlecht und auch für desertierende Soldat*innen beider Seiten und Menschen, die sich dem Ausreiseverbot für Männer in der Ukraine widersetzen.
Deshalb: Informiert euch! Auch in Berlin und Deutschland gibt es zahlreiche Initiativen und Organisationen, die das Leben vor Ort und das von Geflüchteten – auch aus der Ukraine – täglich verbessern – basierend auf gegenseitiger Hilfe und Selbstorganisation. Wir, die Organisation Perspektive Selbstverwaltung, unterstützen in diesem Sinne verschiedene Gruppe und Initiativen – wie zum Beispiel Operation Solidarity – denn Selbstorganisation ist nicht nur ein Behelfsmittel, sondern eine grundlegende Haltung gegen Staat, Herrschaft und Gewalt.
Wir können uns nur selbst befreien! Lasst uns zusammenstehen und uns gemeinsam organisieren! Gegen den Krieg! Gegen Patriarchat, Kolonialismus und Kapitalismus! Gegen Putin, die Oligarchie und den russischen Staat! Gegen die Nato! Gegen jegliche Nationalstaaten und für uns Menschen – überall. Damit in Zukunft kein Mensch mehr unter Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung leiden muss! […]