Redebeitrag am 6.12.20 auf der Kundgebung gegen Patriarchat und Repression

Am 6. Dezember haben wir von Perspektive Selbstverwaltung auf der Kundgebung „Raven gegen das Patriarchat“ von FCK:FSB, ein (queer-)feministische Aktivistinnen-Gruppe, vor dem Brandenburger Tor eine Rede zu den Protesten in Belarus gehalten. 

Viele von euch haben von den Protesten in Belarus gehört. Wir sind selber nicht von dort, denken aber dass wir davon hier in Berlin sehr viel lernen können.

Was uns an den Protesten besonders inspiriert, ist einerseits die Selbstorganisierung der Gesellschaft, und andererseits, dass sie schon so lange anhalten.

Da gehen jeden Sonntag hunderttausende Menschen auf die Straße, und das seit August! Ihr Wunsch nach Freiheit, nach einem Ende der Lukashenko-Diktatur, zieht sich durch die gesamte Gesellschaft.

Aber es finden nicht nur Massendemos statt: von Anfang an gibt es Nachbarschaftsversammlungen, Leute helfen sich dort gegenseitig bei alltäglichen Problemen.

Zum Beispiel hat sich, als die Corona-Pandemie angefangen und das Regime nichts unternommen hat, in den Nachbarschaften eine Art Gesundheitssystem von unten entwickelt.

Ein anderes Beispiel: wir hören immer wieder von Demontierenden, die vor der Polizei fliehen und dann von  Leute bei sich in den Wohnungen versteckt werden, für die sogar sichere Fahrten nach Hause organisiert werden.

Solche Berichte wärmen mir das Herz.

Ein Genosse in Minsk hat das sehr schön gesagt: er meinte, „wir können aus den Protesten lernen, dass Anarchie auch ohne Anarchist*innen funktioniert.“

Das revolutionäre Potential, das in den Protesten steckt, sieht aber auch der Repressionsapparat: er reagieren mit tausenden Festnahmen, brutaler Repression auf den Straßen, Folter in den Gefängnissen.

Und mal wieder sind die Polizei und Geheimdienste dort ausgebildet und ausgerüstet von der deutschen Bundespolizei und von deutschen Unternehmen!

Zur Repression gehört leider auch patriarchale Gewalt.

Am Anfang hat der Sexismus der Diktatur noch verhindert, dass die Frauen*demonstrationen zusammengeschlagen wurden. Das hat auch mit Lukashenkos chauvinistischer Haltung zu tun: er hat vor den Wahlen alle Präsidentschaftskandidaten weg sperren lassen, bis auf Tikhanovskaja, einfach nur weil sie eine Frau ist und er sie deshalb nicht ernst genommen hat. Er hat wirklich gesagt, Frauen* gehören hinter den Herd und sind nicht fähig Politik zu machen!

Das hat er jetzt davon.

Dann hat das Regime aber doch gemerkt, das Frauen* und Queere Menschen eine Bedrohung darstellen. Zu Recht. Aber jetzt wird gezielt sexualisierte Gewalt gegen demonstrierende Frauen* eingesetzt, es gibt zahlreiche Berichte von Vergewaltigungen in Polizeigewahrsam.

Das macht mich verdammt wütend! Dass unsere Körper immer wieder benutzt werden, um Macht auszuüben!

Aber es gibt mir auch Kraft zu sehen, dass trotzdem noch jeden Samstag Frauen* und Queere Menschen in Belarus auf die Straße gehen. Denn ihnen ist klar: so lange das Regime nicht gestürzt ist, hört die Gewalt nicht auf.

Also an dieser Stelle ein Applaus für die Frauen* und Queeren Leute, die da unermüdlich auf die Straße gehen! Frauen* die kämpfen, sind Frauen* die leben!

Auch Anarchist*innen sind besonders von Repression betroffen. Das liegt unter anderem daran, dass sie organisiert die Proteste unterstützen, und das von Anfang an. Jetzt reiht sich eine Verhaftungswelle an die nächste, der größte Teil der anarchistischen Bewegung ist inzwischen im Knast.

Vier von ihnen wird Terrorismus vorgeworfen. Dafür kann man in Belarus noch zur Todesstrafe verurteilt werden.

Anscheinend will der Staat ein Exempel an denen statuieren, die sich trauen auch zu radikalen, konsequenten Mitteln zu greifen. Davon werden wir uns nicht distanzieren! Wir stehen zu denen, die bereit sind für den Kampf um die Freiheit ihr Leben zu geben.

 

Der anarchistischen Bewegung ist auch klar, dass der Kampf nicht gewonnen ist wenn Lukashenko gestürzt ist. Schon jetzt versuchen sich EU-freundliche Politiker*innen mit neoliberaler Agenda an die Spitze der Proteste zu setzen, wie Tikhanovskaja, von der ich eben gesprochen habe.

Aber was passiert, wenn die an die Macht kommen?

Das sehen wir an Beispielen wie Griechenland oder Polen: sogenannte Strukturanpassung, Privatisierung, Sparprogramme. Das bedeutet: liberale Freiheitsrechte für die Reichen und ein paar mittelständische Unternehmen. Aber die Arbeiter*innen müssen mal wieder die Hauptlast davon tragen: Flexible Arbeitszeiten, Lohnkürzung und diese ganze immer gleiche scheiße, das kennen die meisten von uns ja.

Anarchist*innen kämpfen in Belarus auch, um genau das zu verhindern. Und dafür braucht es konkret unsere internationale Solidarität!

Wir können einiges tun: Spenden sammeln, Briefe an Gefangene schreiben, Aktionen organisieren, Genoss*innen im Exil unterstützen, die Verflechtungen vom deutschen Staat mit der Diktatur aufdecken.

Und ganz konkret lade ich euch zu unserer Kundgebung für die Gefangenen in Belarus nächsten Samstag ein. Kommt am 12. Dezember um 13 Uhr vor die Belarussische Botschaft.

Dort können gemeinsam zeigen, dass unsere Genoss*innen nicht allein sind.

Denn unsere Solidarität ist stärker als ihre Repression!

Hoch die internationale Solidarität!