Seit fast einem Jahr gehen jeden Freitag weltweit hunderttausende Schüler*innen auf die Straße, um für den Erhalt unseres Planeten zu streiken. Dank der stabilen Arbeit einiger Strukturen innerhalb von Fridays for Future wie der antikapitalistischen Plattform nehmen die Proteste immer kämpferischere Züge an. Viele Schüler*innen sehen keinen Sinn mehr darin, Reformen von der Politik zu fordern, sie drängen hin zu radikalere Maßnahmen, sie stellen die Systemfrage. Nun hat ein breites Bündnis von Akteur*innen der Klimabewegung zum Generalstreik am 20. September aufgerufen.
Als Linksradikale in Berlin sind wir zurzeit kein wirklich wahrnehmbarer Teil von diesem Prozess. Hier in der Metropole scheint es oft, als betrachten wir FfF entweder als Masse anpolitisierter junger Menschen, an die wir unsere Propaganda verteilen, um sie dann in unsere Strukturen einzubinden. Oder wir tun die Bewegung als reformistisch ab, sehen deren baldiges Ende voraus und sagen uns „wir hätten das ja besser gemacht“. Keiner der beiden Ansätze hat den Anspruch, mit den Schüler*innen auf Augenhöhe gemeinsam zu kämpfen.
Das finden wir sehr schade.
Als Anarchist*innen glauben wir nicht, dass es eine kapitalistische Lösung für die Klimafrage geben kann. Wir glauben, dass die Ursachen für die vielen Probleme, gegen die wir oft vereinzelt voneinander kämpfen, letztendlich die gleichen sind. Ob es nun um Patriarchat, ökonomische Ausbeutung, Rassismus oder Klimakrise geht: Dahinter steht immer die gleiche Mentalität der Herrschaft von Menschen über andere Menschen, aus der die Herrschaft des Menschen über die Natur folgt.
Als Konsequenz daraus ziehen wir, dass eine Klimabewegung logischerweise immer antikapitalistisch sein muss, zumindest, wenn sie ihr Ziel eines intakten Planeten erreichen möchte. Das sehen auch viele Schüler*innen und glauben immer weniger an Lösungen innerhalb der Spielregeln dieses Systems.
Aber eine soziale Bewegung ist kein Machtvakuum: schon seit dem Beginn der Proteste stehen NGOs, Parteien und andere reformistische Kräfte bereit, um mit ihrem Traum eines grünen Kapitalismus die Bewegung zu vereinnahmen.
Unsere Aufgabe als Revolutionäre ist es also nicht zuletzt, den Einfluss dieser Leute zu verringern. Das bedeutet nicht, dass wir uns zu einer Avantgarde aufschwingen, die den Schüler*innen die Wahrheit verkündet. Es bedeutet auch nicht, dass es unser Ziel ist, dass alle sich anarchistisch oder linksradikal oder was auch immer nennen. Stattdessen bedeutet es, unsere Werte wie direkte Aktion, Basisdemokratie, Solidarität und Klassenkampf zu vermitteln und Teil dieses Kampfes zu werden. Denn diese Kämpfe sind das, was die Beteiligten, also wir, daraus machen.
Was hindert uns daran?
Zuerst denken wir, dass wir als radikale Linke gerade nicht so gut darin sind, dem Rest der Gesellschaft zu vermitteln, was wir eigentlich wollen. Denn das ist unbequem, anstrengend und oft ziemlich nervig, aber auch notwendig, wenn wir soziale Revolution machen wollen.
Außerdem haben wir das Gefühl, dass in Berlin gerade ein starker Fokus auf Kiezarbeit, Miet-Kampagnenpolitik und dem Verteidigen von Szeneprojekten liegt. Das ist auch richtig und sinnvoll, doch der Aufbau selbstverwalteter Strukturen ist nichts wert, wenn es keinen Planeten gibt, auf dem diese stehen.
Und schließlich brauchen wir ein positives, klares Projekt, für das wir kämpfen und als dessen Teil wir uns verstehen. Ob nun die kurdische Befreiungsbewegung, die reichhaltige Geschichte anarchistischer Kämpfe, die Revolution in Chiapas oder alles drei und noch viel mehr: Wir sind nicht die ersten und die letzten die für eine befreite Gesellschaft kämpfen. Das gibt uns Kraft und Hoffnung und lässt uns weitermachen.j
Und jetzt?
FfF hat sich mit dem Generalstreik für ein Mittel entschieden, dass in einer langen revolutionären und anarchistischen Tradition steht. Es ist ein radikales Mittel, das zeigt, dass Klimagerechtigkeit nur von unten durchgesetzt werden kann und das sich unversöhnlich gegenüber der herrschenden Klasse zeigt. Am 20. September wird vermutlich nicht jeder Betrieb stillstehen und die Weltrevolution ausbrechen. Allerdings können wir als radikale Linke ein Zeichen setzten, dass wir Seite an Seite stehen mit allen, die für Klimagerechtigkeit kämpfen. Solidarisch, auf Augenhöhe und mit einer klaren Perspektive.
20. September / 12 Uhr / Brandenburger Tor
Wir sehen uns im Antikapitalistischen Block!
Perspektive Selbstverwaltung