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Mit Verwaltung meinen wir, wie die Gesellschaft, in der wir leben, organisiert ist. Die heute vorherrschende gesellschaftliche Verwaltungsform ist der Staat. Er ist eine hierarchische Form der Verwaltung, in der die Strukturen so aufgebaut sind, dass es eine Befehlskette von Oben nach Unten gibt. Oben werden die Entscheidungen getroffen und nach unten geschickt, wo sie ausgeführt werden sollen. Der Staat ist also nicht nur eine Versammlung von Institutionen und Instanzen wie z.B. der Regierung, den Ministerien, dem Schulsystem, dem Steueramt, der Polizei und der Armee. Er ist auch eine soziale Beziehung zwischen diesen unterschiedlichen Institutionen und der Regierung an der Spitze und zwischen diesen Institutionen und der Gesellschaft – und damit eine hierarchische und zentralistische Beziehung.
Das Wesen der Verwaltung wird nicht nur von den organisatorischen Strukturen bestimmt, sondern auch von den Grundwerten, auf denen sie aufbaut. In der BRD wird sich z.B. immer wieder auf die sogenannte „freiheitlich demokratische Grundordnung“ berufen. Allein in den offen dort bestimmten Prinzipien wird deutlich, dass es um Konkurrenz und Repräsentation statt um Zusammenarbeit und direkte Beteiligung geht („[das Volk] hat die Auswahl zwischen konkurrierenden Parteien“); oder dass es darum geht die Verantwortung über unsere Leben einer kleinen Gruppe von Menschen zu überlassen statt es selber in die Hand zu haben („[Grundlegendes Prinzip:] die Verantwortlichkeit der Regierung“).
Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, sehen wir einen engen Zusammenhang zwischen der Entstehung der repräsentativen Demokratie und dem Kapitalismus. Der moderne Staat hat seinen Ursprung in der Monarchie und dem Feudalismus, wo Verwandtschaft für politischen und ökonomischen Einfluss und Macht entscheidend waren. Mit dem Handel und der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kamen aber neue ökonomische Kräfte auf, die sich auch einen Platz am Tisch sichern wollten und innerhalb einiger Jahrzehnte entstand die moderne Form des Staates. Er entspricht aber noch immer stark seinem Ursprung und der Einfluss ökonomischer Kräfte, wie Unternehmen, ist noch immer groß. Wie der Kapitalismus hat auch der Staat seinen Ursprung in der Anhäufung von Kapital. Die Voraussetzungen dafür waren die Ausbeutung der Erde und unserer Arbeitskraft, die Entwertung reproduktiver Arbeit und der Kolonialismus.
Das klingt erst mal sehr widersprüchlich zu der Grundlage, die mit der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ geschaffen wurde, um das heutige System zu legitimieren: Menschenrechte, Mitspracherecht{{Mitspracherecht unterscheidet sich von Selbstbestimmung. Man darf vielleicht mitreden, aber nicht mitentscheiden und wenn das doch der Fall ist, sind z.B. Volksentscheide meistens nur empfehlend und nicht bindend. Außerdem gibt es viele Hürden, um überhaupt einen Volksentscheid durchführen zu können.}}, Sozialleistungen, usw. Wir sind vor dem Gesetz alle gleich, dürfen alle vier Jahre wählen gehen, haben Anspruch auf Harz IV, wenn wir unseren Job verlieren. Aber die Realität sieht anders aus: unser Nachname, Aussehen, Pass, Geschlecht oder wie viel Geld wir in der Tasche haben bestimmen, wie gut unsere Chancen sind, davon etwas abzubekommen. Die Versprechen der Parteien, daran etwas zu ändern, können noch so schön klingen. Aber das Unrecht, das wir täglich erfahren, ist eine direkte Folge davon, dass es in der Hand einer privilegierten Minderheit liegt, die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ nach ihrem Vorteil zu interpretieren. Alle vier Jahre wählen zu gehen, wird daran nichts Grundsätzliches ändern. Wenn wir damit brechen wollen, brauchen wir also ein ganz anderes Fundament unserer Gesellschaft.
Uns wird immer wieder eingeredet, dass das heutige System so komplex sei, dass wir es als „normale Menschen“ eh nicht verstehen würden. Das lernen wir in der Schule, auf der Arbeit und in den Medien. Wir denken aber, dass wir sehr wohl dazu in der Lage sind, selber für unsere Belange einzustehen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Wir sind überzeugt, dass das der einzige Weg ist, um die Interessen aller Menschen gleichberechtigt miteinzubeziehen.
Die Basis, um das zu realisieren ist für uns Selbstverwaltung. Wenn wir in die Geschichte und über den westlichen Tellerrand hinausschauen, sehen wir, wie Menschen und Gemeinschaften sich immer wieder anhand materieller Bedürfnisse und geteilter Werte zusammenschließen und zusammenarbeiten.{{Peter Gelderloos, Anarchy Works (2010), Kap. I. Human Nature ‚Aren’t people naturally competitive?“; https://theanarchistlibrary.org/library/peter-gelderloos-anarchy-works/#toc9}}{{Peter Kropotkin, Gegenseitige Hilfe (1902), Kap. VII. u. VIII.Gegenseitige Hilfe in unserer Zeit.}}{{„Herrschaftsfreie Gesellschaften werden nicht mehr geleugnet“, Junge Welt, 08.07.2017, Wochenendbeilage}}{{H. Amborn, Das Recht als Hort der Anarchie. Gesellschaften ohne Herrschaft und Staat. Matthes & Seitz, 2016}}{{J.C. Scott, The Art of Not Being Governed: An Anarchist History of Upland Southeast Asia, Yale University Press, 2009}} Wie z.B. die Mbuti, die seit Jahrhunderten in staatslosen, gleichberechtigten, auf Kooperation basierenden Gemeinschaften im Ituri Regenwald der heutigen DR Kongo leben, ohne die Natur oder sich untereinander auszubeuten.{{D Winters, The Mbuti People, Ubuntu is Life, 26.01.2021; https://www.amplifyafrica.org/post/the-mbuti-people-ubuntu-is-life}} Oder wie in Cherán, Mexico, wo die über 20.000 Einwohner*innen eine autonome selbstverwaltete Gesellschaft aufbauten, in der die Bedürfnisse dieser im Mittelpunkt stehen, nachdem sie 2011 die Kartelle, lokale Autoritäten und die Polizei vertrieben haben.{{Rebellion, Autonomy, and Communal Self-Government in the Indigenous Municipality of Cherán, Michoacán, Its Going Down, (Artikel u. Podcast) 2. Okt. 2020; https://itsgoingdown.org/rebellion-autonomy-communal-government-cheran}} Auf verschiedensten Ebenen zeigt sich überall und immer wieder der Impuls nach gegenseitiger Hilfe und gemeinschaftlicher Organisation. Auch in Gesellschaften wie der unseren, in denen der Staat großen Einfluss auf viele Bereiche unseres Lebens hat, beispielsweise an der Vielfalt von Vereinen, Hilfsnetzwerken und Stiftungen.{{Peter Kropotkin, Die Eroberung des Brotes (1892), Kap. III Der anarchistische Kommunismus}} Aber auch in Katastrophensituationen, in denen der Staat beginnt, die Kontrolle zu verlieren. So organisierten die Menschen nach dem Hurrikan Katrina 2005 in New Orleans, USA, selbständig Rettungs- und Versorgungsaktionen, als die staatlichen Strukturen kollabierten.{{Rhiannon Firth, Mutual Aid, Anarchist Preparedness and COVID-19}}{{Plan C, “At the end of the day, it’s just us” – Mutual Aid, Direct Action and Disasters}}{{Common Ground Relief; https://www.commongroundrelief.org}}{{Mutual Aid Disaster Relief; https://mutualaiddisasterrelief.org}}
In der freien und klassenlosen Gesellschaft, die wir anstreben, sind folgende Grundwerte wichtig. Erstens das Prinzip der freien Assoziation, womit wir meinen, dass es uns allen frei stehen soll zu entscheiden, mit wem und wo wir unsere Leben organisieren, solange das nicht benutzt wird, um andere zu unterdrücken oder auszubeuten. Zweitens gegenseitige Verantwortlichkeit, sowohl von Individuum zu Individuum, zwischen Individuum und der Gemeinschaft, aber auch von Gemeinschaft zu Gemeinschaft.{{Bookchin, M. – The meaning of confederalism (1976), k. Decentralism and Self-Sustainability; https://theanarchistlibrary.org/library/murray-bookchin-the-meaning-of-confederalism#toc2}}Drittens gegenseitige Hilfe, weil keine Gemeinschaft völlig selbständig alle ihre Bedürfnisse befriedigen kann und die Zusammenarbeit verschiedener Gemeinschaften eine nachhaltigere Grundlage bietet als Konkurrenz.{{Bookchin, M. – The meaning of confederalism (1976), k. Problems of Decentralism; https://theanarchistlibrary.org/library/murray-bookchin-the-meaning-of-confederalism#toc2}}
Um zu verhindern, dass sich neue Herrschaftsstrukturen bilden, sind zwei Sachen wichtig. Erstens sollten die Strukturen der neuen Gesellschaft so aufgebaut sein, dass sie eine dauerhafte Konzentration von Macht in der Hand weniger Menschen unmöglich machen. Zweitens erfordert es die Fähigkeit der Gesellschaft, Prozesse der Machtkonzentration, wenn diese trotzdem stattfinden, frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.{{Diana Denham and the C.A.S.A. Collective, Teaching Rebellion: Stories from the Grassroots Mobilization in Oaxaca, PM Press, 2008, Kap. „David“, S. 288}}
Im heutigen Verwaltungsapparat werden die Interessen vieler gesellschaftlicher Gruppen, die von struktureller Unterdrückung betroffen sind, nicht beachtet. Die Perspektive von z.B. Frauen* und Queeren Menschen, People of Color und Migrant*innen, oder Menschen mit Behinderungen ist häufig nicht vertreten und wenn dann oft nicht durch betroffene Personen selbst. Wir denken, dass marginalisierte Menschen selber am besten wissen, wovon sie betroffen sind und für ihre Bedürfnisse einstehen können. Deswegen sollen einerseits die Strukturen der Selbstverwaltung die Zusammensetzung der Gesellschaft repräsentieren. Andererseits soll es Strukturen autonomer Organisierung geben, die gewährleisten, dass die Perspektiven und Bedürfnisse dieser Gruppen in der Gestaltung der Gesellschaft das Gewicht erhalten, das ihnen zusteht.
Wir werden aber nicht von einen Tag auf den anderen alle Grundwerte und Fähigkeiten umsetzen können, die für eine selbstverwaltete Gesellschaft nötig sind. Es gibt schon viele soziale Kämpfe, die heute und in der Vergangenheit diesen Prozess vorantreiben. Diese Kämpfe sind die Keime der zukünftigen Gesellschaft.
Dieser Teil des Programms stellt die Basis aller anderen Teile dar. Hier beschreiben wir, wie die einzelnen Bereiche der Gesellschaft (z.B. Arbeit, Wohnen oder Gerechtigkeit) im Austausch miteinander stehen können.
1. Wo wollen wir langfristig hin?
1.1 Grundprinzipien der Selbstverwaltung
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- A. Alle Macht der Basis: Politik soll nicht mehr eine Sache von wenigen Professionellen sein. Alle können mit-entscheiden, wenn sie davon direkt betroffen sind. Das setzt aktive Beteiligung voraus. Entscheidungen werden z.B. auf Vollversammlungen getroffen, die sich um bestimmte Lebensbereiche herum organisieren (z.B. ein Häuserblock oder Arbeitsplatz).
- B. Selbstbestimmung des Individuums: Der Erfolg der freien Gesellschaft hängt ab von der selbstbestimmten Initiative des Individuums und vom vereinten Handeln. Jedem Individuum ist frei, sich wo gewünscht niederzulassen, selbständig Aktivitäten zu entfalten und sich am sozialen Leben zu beteiligen. Gleichzeitig besteht eine Abhängigkeit von der Gemeinschaft, die den Zugang zu materiellem Wohlhaben, persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, Ressourcen oder Sicherheit ermöglicht. Das heißt, die Freiheit des Individuums hängt mit der Freiheit des Kollektivs zusammen, es existiert eine gegenseitige Verantwortlichkeit zwischen Individuum und Kollektiv.
- C. Rätesystem: Räte sind kleinere Gruppen von Menschen, die aus Vollversammlungen bestimmt werden, um Entscheidungen vorzubereiten oder diese in größere Ebenen zu delegieren. Die Basis entscheidet, wie viel Vertrauensvorschuss sie den Räten gibt, also welche Entscheidungen sie autonom treffen dürfen.
- D. Imperatives Mandat: Delegierte (z.B. in den Räten) vertreten immer die Entscheidungen der Strukturen, die sie entsenden. Das erfordert regelmäßige Rücksprache z.B. auf Vollversammlungen. Sie sind jederzeit abwählbar, um zu verhindern, dass sie ihre Position missbrauchen, wenn sie beispielsweise nicht das vertreten, wofür sie entsandt worden sind.
- E. Vertrauensvorschuss bedeutet, dass eine größere Gruppe von Menschen (z.B. eine Vollversammlung) einer kleineren Gruppe (z.B. einem Rat) das Vertrauen zuspricht bestimmte Entscheidungen selbständig zu treffen. Zwar haben alle die Möglichkeit, bei Fragen, die sie betreffen, mit-entscheiden zu können. Aber um handlungsfähig zu bleiben, soll es auch möglich sein, dass Räte Entscheidungen treffen oder dass sich die Basis von diesen beraten lässt (z.B. von Expert*innenräten, die sich mit bestimmten Themen beschäftigen). Die Basis behält aber immer die Kontrolle und kann den Vertrauensvorschuss jederzeit wieder entziehen.
- F. Ko-Delegation: Es sollen immer mindestens zwei Delegierte aus einer Struktur entsandt werden, die so weit wie möglich die Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegeln (z.B. mindestens ein*e FLINT).
- G. Autonome Organisierung auf allen Ebenen der gesellschaftlichen Selbstverwaltung: Gruppen, die (heute) Unterdrückung erfahren, können am besten selber für ihre Bedürfnisse einstehen. Es kann z.B. Räte oder Vollversammlungen von BIPoC, Migrant*innen, Frauen*, Queeren Menschen, Menschen mit Behinderungen oder der Jugend geben. Ihre Perspektive ist essentiell, wenn wir diese Unterdrückung überwinden wollen, also wird ihre Stimme entsprechend gewichtet.
- H. Beteiligung für alle ermöglichen: um sich an den selbstverwalteten Strukturen zu beteiligen, braucht es bestimmte Fähigkeiten (z.B. argumentieren, sich verständlich ausdrücken, Verantwortung übernehmen). Das zu lernen soll Teil der Erziehung und Bildung sein und ist damit auch eine Verantwortlichkeit der Kommune. (Siehe ach Thema Jugend, Bildung und Wissenschaft) Damit sich alle gleichberechtigt beteiligen können, muss jede Arbeit, auch reproduktive Arbeit, gleicher verteilt werden. (Siehe auch Thema Arbeit)
- I. Gesellschaftskonsens: Vereinbarung über geteilte Werte und Regeln aller in einer Kommune lebenden Menschen. Die Formulierung erfolgt gemeinschaftlich, die Zustimmung erfolgt informiert und freiwillig. Der Gesellschaftskonsens ist durch regelmäßige offene Foren und Umfragen (z.B. jährlich) veränderbar.
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1.2 Kommune
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- A. Eine Kommune ist eine Gemeinschaft von Menschen. Innerhalb dieser produzieren, konsumieren und gestalten die Mitglieder ihr Leben anhand geteilter Werte und Interessen. Jedem Individuum steht es frei, sich für eine Kommune zu entscheiden und sich auch mit Individuen anderer Kommunen zu organisieren. Der Begriff Kommune soll hier nicht gleichgesetzt werden mit der heutigen Kommune, die eine Verwaltungseinheit des kapitalistischen Staates darstellt.
- B. Der Kern der gesellschaftlichen Selbstverwaltung ist die Kommune. Sie soll nicht zu groß sein, um den Bezug zueinander zu behalten und Selbstbestimmung zu garantieren. Sie kann eine Nachbarschaft oder ein kleines Dorf umfassen.
- C. Delegierte der Räte aller gesellschaftlichen Teilbereiche (z.B. Nachbar-schaften, Betriebe, autonome Organisation, Gerechtigkeitsstrukturen) tauschen sich aus und treffen Entscheidungen mit dem imperativen Mandat ihrer Basis.
- D. Transparente Entscheidungen und möglichst große lokale Beteiligung durch leicht zugängliche Protokolle und niedrigschwellige Prozesse
- E. Zuständig für alle lokalen Fragen: z.B. Wohnungsbau (und -verteilung), Lebensmittelverteilung, Bildung, Gerechtigkeit, Umweltschutz, Infrastruktur, Kommunalbesitz (und Verteilung davon), Selbstverteidigung.
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1.3 Konföderation
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- A. Konföderation: lokale Selbstverwaltungseinheiten (Kommunen) schließen sich auch überregional entsprechend gemeinsamer Interessen zusammen. Es kann verschiedene Ebenen geben. In einer größeren Stadt wie Berlin würde ein Kiez eine Kommune bilden. Diese schickt Delegierte in die Konföderation auf Bezirksebene. Hieraus können dann wieder Delegierte in die Stadtebene geschickt werden usw. Die Kommunen haben dabei einen hohen Grad an Autonomie.
- B. Freie Assoziation als Grundlage für überregionale Zusammenarbeit: allen Kommunen steht es frei, Delegierte zu schicken, gemeinsam können die beteiligten Kommunen sich auf Werte oder Ansprüche an die Mitglieder der Konföderation einigen
- C. Über heutige nationalstaatliche Grenzen hinaus: diese Grenzen sind oft willkürlich gezogen und durchschneiden heute Gebiete, die eigentlich gemeinsame lokale Interessen haben (z.B. ökonomische oder weil sie am gleichen Gewässer liegen) oder Gebiete mit gemeinsamer Sprache oder Kultur.
- D. Dezentral: Konföderationen sind ausschließlich zuständig für Bereiche, die die kommunale Ebene übersteigen (z.B. großflächige Infrastruktur wie Stromversorgung, Wasser, Verkehr, Internet; Warentausch, ÖPNV, ggf. Gerechtigkeit und Selbstverteidigung).
- E. Unterschiedlichkeit des Gesellschaftskonsenses: auch wenn die Konföderation auf geteilten Werten basiert, kann jede Kommune für sich entscheiden, wie genau das gemeinschaftliche Leben gestaltet werden soll.
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2. Übergangsphase
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- A. Materielle Basis: Wenn wir unsere Gesellschaft selbstverwaltet organisieren wollen, muss es allen ermöglicht werden, sich daran zu beteiligen. Aber wie können wir das in einer Phase schaffen, in der wir noch von Lohnarbeit abhängig sind, wir also all diese Aufgaben in unserer „Freizeit“ erledigen müssen? Ansätze dafür könnten Konzepte gegenseitiger Unterstützung und Umverteilung sein.
- B. Systemkonflikt: Sobald die Strukturen der Selbstverwaltung einen Grad von Gegenmacht darstellen, der staatliche Strukturen wirklich überflüssig macht, wird der Staat das nicht einfach hinnehmen. Was bedeutet das für die Selbstverwaltung? Wie können wir uns darauf vorbereiten?
- C. Interessenkonflikte: Niemand kann zur Selbstverwaltung gezwungen werden, anders als bei anderen Gesellschaftsformen. Aber wie gehen wir damit um, wenn ein großer Teil der Menschen an einem Ort sich dafür entschieden hat, sich selbst von unten zu organisieren, es aber Institutionen oder Organisationen gibt, die zentralisierte, autoritäre oder reaktionäre Gesellschaftsmodelle durchsetzen wollen?
- D. Selbstversorgung vs. Wirtschaftliche Abhängigkeit: Durch die Globalisierung und der daraus folgenden Art und Weise, wie heute weltweit die Wirtschaft organisiert ist, ist kein Ort auf der Welt in der Lage, sich völlig selbstständig zu versorgen. Völlige wirtschaftliche Selbstversorgung – Autarkie – ist sowieso schwer erreichbar und vielleicht auch nicht wünschenswert.{{Murray Bookchin, Die Bedeutung des Konfederalismus (1990), Kap. Probleme der Dezentralisierung. […] „Ohne kulturelle und politische Veränderungen im Ganzen können Dezentralisierungsprojekte, die das Gewicht auf regionale Abschottung und einen gewissen Grad an Selbstversorgung legen, zu kulturellem Provinzdenken und Chauvinismus führen. Provinzdenken kann genauso schwerwiegende Probleme hervorrufen wie eine »globale« Gesinnung, die die Einzigartigkeit der Kulturen und die Besonderheiten der Ökosysteme und ökologischen Regionen übersieht, und zudem den Wunsch nach einem humanen Gemeinschaftsleben ignoriert, das eine partizipatorische Demokratie möglich macht.“ Dazu sind bestimmte Güter lokal vielleicht nicht produzierbar wegen eines Mangels an bestimmten Rohstoffen oder weil die Umstände der Produktion vor Ort ungünstig sind.}} Was bedeutet das also für den Fall, dass eine selbstverwaltete Gesellschaft zu Beginn nur in kleinen Gebieten aufgebaut wird? Wirtschaftlicher Austausch kann schnell zu Abhängigkeiten führen und damit als Druckmittel verwendet werden. Wie können wir das verhindern?
- E. Internationale Vernetzung: Die Schlussfolgerung daraus ist, dass es langfristig nur funktionieren kann, wenn möglichst große Gebiete, oder sogar der ganze Planet, selbstverwaltet leben. Wenn wir Gegenmacht aufbauen, beginnt das meistens auf kleiner, lokaler Ebene. Wie können wir uns auf überregionaler, internationaler Ebene heute schon miteinander organisieren?
- F. Stetiger Wandel vs. Stabilität: Wenn wir uns historische und aktuellere Revolutionen anschauen, gibt es Phasen von pro-aktiver Veränderung und des Aufbaus, aber auch Phasen, in denen das Bedürfnis nach Beständigkeit wächst. Gerade dann ist wichtig, die Revolution zu stabilisieren ohne sich festzufahren, da die Gefahr besteht, wieder in alte, hierarchische Muster zu verfallen. Was ist eine gute langfristige Balance zwischen Stabilität und Beständigkeit auf der einen, und Offenheit für neue Perspektiven, Veränderung und Aufbau auf der anderen Seite?
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3. Was können wir kurzfristig tun?
3.1 Gegenmacht aufbauen
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- A. Die Mittel bestimmen das Ergebnis, daher: Basisprinzipien der Selbstverwaltung (siehe oben) schon in heutigen gesellschaftlichen und politischen Strukturen umsetzen. Insbesondere Ko-Delegation und autonome Organisierung um z.B. am Arbeitsplatz, in Vereinen, Organisationen oder Nachbarschaftsräten die Zusammensetzung der Gesellschaft widerzuspiegeln.
- B. Nachbarschaftsversammlungen stärken und neue bilden: dort kann gegenseitige Hilfe organisiert werden, es können Fähigkeiten und Ressourcen geteilt werden, Menschen, die nebeneinander wohnen, können sich miteinander vernetzen anstatt dass jede*r für sich allein mit alltäglichen Problemen fertig werden muss.
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- B.1. Nachbarschaftsräte daraus bilden, um mittelfristig diese Nachbarschaftsversammlungen für effektivere gemeinsame Selbstorganisation zu nutzen und verschiedene Versammlungen miteinander zu konföderieren. Damit sie für die Belange aller Beteiligten einstehen, sollten sie von der Basis (also der Vollversammlung) kontrolliert werden, nicht von staatlich geförderten und zentralisierten Institutionen, wie es beispielsweise beim Quartiersmanagement passiert.
- B.2. Selbstorganisierte Räume dafür nutzen, verteidigen und neue aufbauen{{Kiezkommune, Das Konzept Kiezkommune, https://kiezkommune.noblogs.org/die-kiezkommune}}{{Kiezhaus Agnes Reinhold, Selbstverständniss, https://www.kiezhaus.org/ueberuns/selbst}}
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- C. Selbstorganisation und -verwaltung stärken: Bestehende Initiativen, Projekte und Vollversammlungen wie Kooperativen, Arbeitskämpfe von unten, migrantische und feministische Selbstorganisation stärken und verteidigen. Strukturen der gemeinsamen Organisation verschiedener Projekte aufbauen und den Austausch untereinander fördern.
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- C.1. Zusammenschluss von Kollektiven und Kooperativen, um gemeinsam eine stärkere und stabilere ökonomische Position zu erlangen und sie zugänglicher zu machen.
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- D. Bekämpfung von allen faschistischen Strukturen: dazu soll es Aufklärung geben über Verstrickungen zwischen faschistischen Strukturen, dem Polizei- und Militärapparat und der Verwaltung. Der NSU-Komplex{{Analyse und Recherche, NSU-Watch (https://www.nsu-watch.info/category/analyse-recherche)}}, die Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung nach dem Hanau-Attentat{{Angehörige und Überlebende fordern unabhängige Untersuchungskomission, Initiative 19. Februar Hanau, März 2021 (https://19feb-hanau.org/2021/03/09/angehoerige-und-ueberlebende-fordern-unabhaengige-untersuchungskommision)}}, das Hannibal-Netzwerk und der Skandal mit dem MAD, bei dem Rechtsextreme innerhalb des Militärs vor Durchsuchungen gewarnt worden sind, zeigen, dass es tiefgehende Verstrickungen zwischen Rechtsextremen, den sogenannten ‚Sicherheitsbehörden‘ und dem Verwaltungsapparat gibt.{{IMI-Studie nr. 4, 4b, Informationsstelle Militarisierung e.V., Juli 2019,; https://www.imi-online.de/publikationen/imi-studien}}{{Wie viel Staat steckt in rechten Terrorstrukturen?, Kommunistischer Aufbau, Oktober 2019; https://komaufbau.org/wp-content/uploads/2019/10/Rechter-Terror.pdf}}
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3.2 Reformen
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- A. Kollektive Organisation und Selbstverwaltung (am Arbeitsplatz, Wohnort usw.) gesetzlich ermöglichen: Gesetze, die kollektive Selbstverwaltung verhindern, sollen aufgehoben werden. Es soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die genau dies ermöglicht.
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- A.1. Kollektives Eigentum gesetzlich ermöglichen: Rechtsformen für individuellen Besitz stehen einfach zu Verfügung. Kollektive und so anerkannte Rechtsformen gibt es aber kaum. Kollektive Initiativen haben z.B. kaum Zugang zu finanziellen Mitteln, weil sie von Banken nicht anerkannt werden.
- A.2. Erweiterte und erleichterte Möglichkeit der Enteignung und Vergesellschaftung von Privatbesitz an Produktionsmitteln, Immobilien usw.: Verwaltung von diesem z.B. durch Nachbarschaftsräte oder Arbeiter*innenräte, wobei diese nicht mehr davon profitieren sollen als andere. Profite könnten investiert werden in die Ausweitung von Kooperativennetzwerken, vergesellschaftetem Wohnungsbestand etc.{{Deutsche Wohnen und Co. enteignen, Warum enteignen?, https://www.dwenteignen.de/warum-enteignen}}{{Interventionisitische Linke, Rotes Berlin, 2018; https://interventionistische-linke.org/sites/default/files/attachements/rotes_berlin_-_2_auflage_onlineversion_final.pdf}}{{Mieter*innen für die Demokratisierung der Wohnraumversorgung, Kommunal & selbstverwaltet wohnen (2018), https://kommunal-selbstverwaltet-wohnen.de/2018_kuswo_broschuere.pdf}}
- A.3. Vergesellschaftung gesetzlich ermöglichen: Genauso wie Privatisierung, kann auch Vergesellschaftung gesetzlich ermöglicht sein. Die Kosten der Vergesellschaftung sollen nicht von der Gesellschaft getragen werden. Wenn enteignete Eigentümer*innen entschädigt werden sollen, heißt das, dass sie maximal ihre ursprüngliche Investition zurück bekommen (nicht den heutigen Marktpreis), mit Abzug von schon gemachten Profiten – im Fall von Insolvenzen ist Schadensfreistellung ausgeschlossen.
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- B. Vermögens- und Erbschaftssteuer und Enteignung von großen Summen Kapital: Mit ökonomischer Macht kommt auch politischer Einfluss. Um diesen Einfluss einzudämmen, muss die ökonomische Macht von Menschen mit großem Vermögen beschränkt werden.
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- B.1 Geld, das dadurch zur Verfügung steht, soll benutzt werden für den Aufbau sozialer Infrastruktur.
- B.2 Um dafür zu sorgen, dass alle gleiche Chancen haben, sich zu entwickeln und einzubringen, ist es wichtig zu verhindern, dass ein ungleicher Zugang zu Ressourcen auf nächste Generationen übertragen wird. Eine Erbschaftssteuer kann dabei helfen, die unterschiedlichen Voraussetzungen mehr anzugleichen.
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- C. Lobbyismus beenden: Wie in Punkt 3.2.B. (Vermögens- und Erbschaftsteuer), ist im heutigen System politischer Einfluss mit ökonomischer Macht verbunden. Um den Einfluss von Großunternehmen auf die Politik zu unterbinden ist das Ende der Lobby ein Mittel. Außerdem findet Lobbying größtenteils abseits der Öffentlichkeit und der öffentlichen Kontrolle statt und ist damit intransparent und undemokratisch. Politische Beeinflussung insgesamt lässt sich kaum verhindern, soll aber transparent und für alle zugänglich sein.
- A. Kollektive Organisation und Selbstverwaltung (am Arbeitsplatz, Wohnort usw.) gesetzlich ermöglichen: Gesetze, die kollektive Selbstverwaltung verhindern, sollen aufgehoben werden. Es soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die genau dies ermöglicht.
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